zur Übersicht

Verursacht die Pille Depressionen?

Stimmungsschwankungen und Depressionen gehören zu den seltenen Nebenwirkungen, die bei der Einnahme der Pille auftreten können. Wir stellen Ihnen zu diesem Thema aktuelle Forschungsergebnisse vor und geben eine Einschätzung aus unseren Erfahrungen ab.

Eine aktuelle Auswertung von zwei dänischen Gesundheitsregistern hat die Daten von mehr als einer Millionen Frauen und Mädchen zwischen 15 und 34 Jahren über einen Zeitraum von sechs Jahren analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass die Anwendung von hormonellen Verhütungsmitteln – unabhängig von der Applikationsform als Vaginalring, Tabletten oder Spritzen – mit einer erhöhten Rate von Antidepressivaverordnungen und der Diagnose Depressionen einhergeht. Bei Frauen, die niemals hormonell verhütet haben, wurde bei 1,7 Prozent ein Antidepressivum verordnet. Bei den Frauen, die hormonell verhütet haben, ist der Anteil mit 2,2 Prozent höher ausgefallen. Frauen unter 20 Jahren hatten dabei das höchste Risiko an Depressionen bei Einnahme der Pille zu erkranken. Die Autoren folgern daraus, dass Depressionen eine Nebenwirkung hormoneller Verhütungsmethoden sein könnten.

Wie schätzt der deutsche Berufsverband der Frauenärzte die Lage ein?

Der Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte Professor Albring bewertet die Zahlen eher kritisch. Nach seiner Auffassung beschreiben sie zunächst einen zeitlichen Zusammenhang, mehr aber auch nicht. Denkbar ist, dass bei Frauen, die wegen einer Verhütung zum Arzt gehen, eher eine Depression erkannt und behandelt wird als bei Frauen, die zwar an einer Depression leiden, aber mangels Verhütungswunsch keinen Arztkontakt haben. Dementsprechend wird die Depression auch nicht erkannt. Nach aktuellen Daten aus der Gesundheitsberichterstattung des Bundes wird die Diagnose Depression oder depressive Verstimmung in Deutschland bei sechs Prozent der Frauen zwischen 18 und 30 Jahren durch einen Arzt oder Psychotherapeuten gestellt und ist damit viel höher als in der dänischen Studie.

Widersprüchliche Ergebnisse von Studien zum Thema Pille und Depressionen

Ob ein Medikament bestimmte Nebenwirkungen hervorrufen kann, wird in der Regel in sogenannten doppelblinden Studien untersucht. Hier weiß weder der Arzt noch der Studienteilnehmer, ob er ein Plazebo oder ein Medikament bekommt. Solche Studien gibt es auch für Verhütungsmittel. Die Ergebnisse sind allerdings widersprüchlich. Es wurden sowohl positive als auch negative Stimmungsveränderungen beschrieben. Bei den meisten Frauen hatte das Verhütungsmittel keinen Einfluss auf das psychische Befinden. Interessant ist aber, dass sich bei Frauen, die vor der Einnahme der Pille unter Depressionen, depressiven Verstimmungen oder einem prämenstruellen Syndrom litten, die Beschwerden mit der Pille eher verstärkten.

Meine persönlichen Erfahrungen mit dem Thema Pille und Depressionen

Aus meiner persönlichen klinischen Erfahrung sind Depressionen oder depressive Verstimmungen durch die Pille ein eher seltenes Ereignis. Sie kommen aber durchaus vor. Jede Patientin, die Sorge hat, ihre Pille könnte einen negativen Einfluss auf ihre Psyche haben, nehme ich sehr ernst. In einer solchen Situation überlegen wir gemeinsam in einem individuellen Gespräch, ob ein anderes hormonelles Verhütungsmittel oder auch hormonfreie Alternativen in Frage kommen.

Sprechen Sie mich gerne an, wenn Sie unsicher sind, ob die Pille bei Ihnen für Stimmungsschwankungen verantwortlich sein könnte.

Quellen

  1. Frauenärzte im Netz, 12.10.2016: Kann die hormonelle Verhütung depressive Verstimmungen verursachen
  2. Association of Hormonal Contraception with Depression„, O. Lidegaard et al, JAMA Psychiatry 28. Sept. 2016 doi:10.1001/jamapsychiatry.2016.2387
  3. Nach Zahlen aus der Gesundheitsberichterstattung des Bundes wird in Deutschland innerhalb eines Jahres bei 6 Prozent der Mädchen und Frauen zwischen 18 und 30 Jahren durch einen Arzt oder Psychotherapeuten eine Depression oder depressive Verstimmung diagnostiziert. Siehe Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Datenabfrage am 10.10.2016
  4. Pressemitteilung Berufsverband der Frauenärzte (BVF)